Das Zeichnen von Tieren ist im Prinzip recht einfach, wenn man sie realistisch zeichnen möchte. Das ideale Arbeitswerkzeug zum Zeichnen ist der Bleistift. Dank unterschiedlicher Härtegrade hat man eine enorme Spannbreite an Gestaltungsmöglichkeiten: sehr helle, differenzierte Bereiche, flächiges Betonen und Verblenden, starke Hell-Dunkel-Kontraste - und bei allem hat man die Möglichkeit, die Oberflächen durch Verwischen oder Radieren weiter zu gestalten oder zu korrigieren. Bei realistischen Tieren ist es so wie bei allen anderen Motiven: man muss nur genau beobachten, was man sieht. Das klingt für Anfänger vielleicht schwierig. Aber letztendlich muss man sich bewusst machen, dass es eigentlich nur darum geht, Graphit auf Papier zu verteilen. Die entscheidende Frage ist nur: wo kommt wie viel Graphit hin?
Genau hier wird es einfach - allerdings nur, wenn man realistisch zeichnen möchte: denn man braucht dann nur eine Vorlage. Auf dieser Vorlage ist ja genau festgelegt, wo etwas hell und wo es dunkel sein muss.
Eine besondere Schwierigkeit liegt darin, Tiere nach der Natur, also mit einem Modell vor Augen, zu zeichnen. Hier muss man zunächst die dreidimensionale Realität visuell "umrechnen", um sie dann zweidimensional auf das Papier zu zeichnen. Dazu unten mehr. Zunächst beschäftigen wir uns mit der Frage, wie man schnell, einfach und effektiv Tiere nach einer Bildvorlage abzeichnen kann.
Tiere nach Vorlage (Foto, Ausdruck, etc.) abzeichnen
Am einfachsten ist es, ein Tier nach einer Bildvorlage abzuzeichnen. Je besser die Vorlage, um so einfacher ist es, daraus eine gute Zeichnung zu erstellen. Oder anders herum: wenn die Fotovorlage nicht gut ist, dann wird es um so schwieriger, daraus eine gute Zeichnung zu erstellen. Was bedeutet nun "gute Vorlage"? Vor allem auf drei Punkte sollte man achten:
- Ausreichende Bilddetails: die Vorlage sollte so groß und scharf sein, dass man die entscheidenden Details, z.B. Augen, Nase und Mund / Maul, gut erkennen kann.
- Ausreichende Hell-Dunkel-Kontraste: eine gute Zeichnung lebt von Hell-Dunkel-Kontrasten. Wenn die Vorlage zu blass oder zu schlapp ist, wird es häufig schwierig, diese Kontrast "zu erfinden".
- Guter, interessanter Bildausschnitt: entweder zeichnet man das Tier in Gänze, also mit Körper. Dann sollte es in einer spannenden Gesamtkomposition inklusive spannendem Hintergrund, abgebildet sein. Oder man wählt einen Anschnitt, z.B. nur den Kopf. Auch dann sollte der umliegende Hintergrund eine abwechslungsreiche Spannung enthalten und gleichzeitig die Konturen des Kopfes klar betonen.
Welches Material? (Bleistift, Papier, Radierer etc.)
Wenn man zeichnen möchte, stellt sich zunächst die Frage, welche Stifte und welches Papier geeignet sind. Zudem sollte man sich einige hilfreiche Zeichenutensilien bereit legen.
Ich würde in den meisten Fällen empfehlen, Bleistifte zu verwenden. Ein Bleistift ist ein ungeheuer vielseitiges Werkzeug, dass es erlaubt, sehr feine Abstufungen von Hell nach Dunkel zu erzeugen. Zum künstlerischen Zeichnen eignen sich vor allem relativ weiche Bleistifte - von B2 bis B6. Diese haben einen weichen Abrieb, mit dem man sehr gut dunkle Flächen und damit harte Kontraste erzeugen kann. Siehe dazu auch: Welcher Bleistift ist zum Zeichnen am besten geeignet?
Für Bleistiftzeichnungen eignen sich fast alle Papiere, angefangen von einfachem Druckerpapier bis hin zu heiß-gepresstem Aquarellpapier. Ich persönlich würde dazu raten, sich einen günstigen Zeichenblock mit Papier um die 150 bis 200 Gramm pro Quadratmeter (g/m²) zu besorgen.
Wer mit Tinte oder Gelstiften arbeiten möchte, sollte bedenken, dass man damit nur reine schwarze Linien erzeugen kann. Die Grauwerte müssen dann durch verschiedene Schraffuren erzeugt werden, wobei die Dichte der Linien dabei variieren muss. Diese Art des Zeichnens ist wesentlich anspruchsvoller und erfordert mehr Konzentration. Auch deshalb, weil man eben nicht radieren kann.
Bleistiftlinien lassen sich recht gut verwischen und radieren. Dadurch kann man nicht nur fehlerhafte Linien korrigieren, sondern auch sehr feine Verläufe erzeugen. Dieses Verblenden (Verlauf einer Fläche von Dunkel nach hell) ist die grundlegende Technik des realistischen Zeichnens.
Ein Tier zeichnen - Schritt für Schritt
Im Folgenden zeige ich anhand einiger Zustände, wie so eine Tier-Zeichnung entsteht. In dem Beispiel habe ich einen Leoparden gezeichnet.
Im ersten Schritt benötigt man eine Vorzeichnung, in der die wesentlichen Konturen und Hilfslinien zu erkennen sind. Die Vorzeichnung sollte nur sehr sachte und ohne viel Druck gezeichnet werden, damit man die Linien später entweder mit einarbeiten oder sie wegradieren kann.
Eine stimmige Vorzeichnung ist sehr wichtig, damit später die Proportionen des Bildes stimmen. Man kann das frei Hand zeichnen, aber gerade für Anfänger ist es ratsam, sich eine geeignete Hilfsmethode zu suchen. So kann man entweder mit einem Raster abzeichnen, oder man nur einen Projektor oder einen Durchlicht-Tisch. Wer das für unkünstlerisch hält, kann sich einfach auch viel Zeit nehmen, um das frei zu zeichnen. Es dauert dann eben etwas länger.
Im zweiten Schritt werden dann mit Hilfe eines B&-Bleistiftes einfache Schraffuren gesetzt - genau dort, wo es später im Bild dunkel werden soll. Logisch.
In der Skizze kann man das Tier bereits erkennen - allerdings ist die Zeichnung noch grob und unscharf. Nun geht es im weiteren Verlauf darum, das Bild zu verfeinern. Dafür stehen einem beim Zeichnen vor allem vier Arbeitsmethoden zur Verfügung, die man ständig wiederholt:
- Betonen: Zeichnen und damit Abdunkeln von Flächen
- Verblenden: Verläufe von Hell nach Dunkel zeichnen, indem man den Stift immer stärker aufdrückt (oder umgekehrt: Verlauf von Dunkel nach Hell, indem der Druck des Stiftes immer geringer wird.
- Verwischen: Mit einem Tuch oder Verwischstift (sog. Estompe) einige Partien des Bildes so verwischen, dass der Verlauf weich und glatt wird.
- Radieren: mit Hilfe von Radierern kann man Bereiche, die zu dunkel sind, wieder aufhellen. Seht praktisch ist neben dem herkömmlichen Radierer ein Radierstift.
Die folgende Abbildung zeigt einen Zustand, nachdem bereits Verblendet, verwischt und radiert wurde:
Je länger man so zeichnet, um so deutlicher und realistischer wird die Zeichnung des Tieres nun erkennbar. Dabei sollte man bei Lebewesen - nicht nur bei Tieren, sondern natürlich auch bei Porträtzeichnungen von Menschen - vor allem die Augen beachten. Es ist ein natürlicher Reflex des Betrachters, zuerst auf die Augen zu achten. Wenn dieser erste Eindruck stimmt, dann wird auch die Zeichnung insgesamt stimmig sein. Daher sollte man sich bei den Augen besonders bemühen, auch die kleinen Details genau zu beobachten und zu zeichnen.
Mit einem Radierstift kann man abschließend noch einige Lichtreflexe und Glanzpunkte herausarbeiten. Das Bild gewinnt dadurch an Tiefe und wirkt detailgetreu. Vor allem die Kanten, an denen sehr dunkle und sehr helle Flächen aufeinander treffen, müssen sehr exakt sein. Denn diese Kanten entscheiden darüber, ob das fertige Bild scharf und sauber oder eher unscharf und verwaschen aussieht.
Nach dem Radieren der hellen Bereiche werden abschließend die dunklen Bereiche noch einmal besonders betont und hervorgehoben. Durch diese finalen Details wird die Zeichnung quasi abschließend veredelt. Fertig ist die Zeichnung eines Tieres:
Diese beschriebene Zeichenmethode ist verallgemeinerbar für fast alle Motive, die man realistisch zeichnen möchte. Der Unterschied ist jeweils nur die Vorlage, an der man sich visuell orientiert. Man kann so im Prinzip jedes erdenkliche Tier zeichnen. Allerdings darf man nicht vergessen, dass die Qualität der Tierzeichnung vor allem von der Qualität der Vorlage abhängt.
Video-Anleitung - Zeitraffer des Zeichenprozesses
In dem folgenden Video von mir kann man den Zeichenprozess als Zeitraffer nachvollziehen. Darin erkläre ich auch die einzelnen Arbeitsschritte noch einmal detailliert:
Tiere nach lebendem Modell zeichnen (z.B. Haustiere)
Tiere nach lebendem Modell zu zeichnen, birgt eine außerordentliche Schwierigkeit: die Tiere verstehen nicht, dass sie still sitzen oder liegen müssen. Wenn man ein Portrait eines Menschen zeichnet, kann man ihn einweisen, die Pose festlegen, Pausen vereinbaren, ihn auf Details hinweisen und so weiter. All das funktioniert mit Tieren leider nicht. Man muss daher entweder sehr sehr schnell zeichnen (flüchtige Skizzen), oder man zeichnet das Tier schlafend. Hierbei sind aber natürlich die Augen geschlossen. Außerdem besteht das Risiko, dass es aufwacht. Dann ist das Zeichnen mit Modell natürlich vorbei. Man kann eventuell noch einige Details aus der Erinnerung fertigzeichnen. Aber im Großen und Ganzen muss das Tierportrait stehen.
Aus dem Grund würde ich immer empfehlen, bei Tierportraits vorab eine kleine Fotosession zu machen. Dann sucht man sich das beste Bild heraus und druckt es aus (oder man malt direkt vom Handy oder dem PC-Display). So kann man sicher sein, dass die Pose immer eindeutig ist - und man kann sich voll auf das Zeichnen konzentrieren, und zwar ohne Zeitdruck.
Weitere Übungen und Artikel zum Thema Zeichnen lernen
Neben meinen Ebook habe ich bereits eine ganze Reihe von kostenlosen Artikeln zum Thema Zeichnen-lernen veröffentlicht. Hier die Kapitel:
- Zeichnen lernen (1): Wie anfangen? (Grundlagen)
- Zeichnen lernen (2): Freihand-Zeichnen “vom Auge zur Hand”
- Zeichnen lernen (3): mit Raster eine Vorlage abzeichnen
- Zeichnen lernen (4): Schraffieren (Schraffuren zeichnen)
- Zeichnen lernen (5): Schattieren (Licht und Schatten)
- Zeichnen lernen (6): Stillleben zeichnen
- Was ist eine Zeichnung?
- Zeichnungen - Kunstzeichnungen
- Zeichnen lernen - Schritt für Schritt
- Zeichnen: Material und Zubehör (Anfänger-Ausstattung)
Siehe auch: Zeichnungen - Die Kunst, Zeichnen zu lernen
Bewerbungsmappe für das Kunststudium
Ich habe bildende Kunst und freie Malerei an der Universität der Künste studiert. Seinerzeit war ich als studentischer Vertreter Mitglied mehrerer Aufnahme-Kommissionen. Daher kann ich einige hoffentlich wertvolle Tipps und Hinweise für eine Bewerbungsmappe für ein Kunststudium geben. Entscheidend ist dabei, sich die Situation erst einmal von außen anzusehen. Nach welchen Kriterien wird entschieden? Wie viele Bilder sollten in eine Bewerbungsmappe? Welches Format sollte eine Mappe haben? Welche Art von Bildern und Zeichnungen sollten in eine Bewerbungsmappe? All diese Fragen lassen sich im Grunde ganz einfach beantworten, wenn man sich mal in ein Mitglied einer Bewerbungskommision hineindenkt. Es ist eigentlich sehr einfach, eine Bewerbungsmappe zusammen zusammenzustellen. Wenn man nur der eigenen Motivation folgt und nicht irgendwelchen Klischees versucht hinterher zu malen und zeichnen. Ob es dann schlussendlich reicht, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Weiterlesen: "Merkmale einer Bewerbungsmappe für ein Kunststudium".