- Zeichnen lernen Schritt für Schritt
- (1) Wie anfangen? Grundlagen
- (2) Freihand - vom Auge zur Hand
- (3): mit Raster von Vorlage abzeichnen
- (4): Schraffieren (Schraffuren zeichnen)
- (5): Schattieren (Licht und Schatten)
- (6): Stillleben zeichnen
- (7): Räume zeichnen (Perspektive)
- (8): Tiere zeichnen
- Zeichnen: Material und Zubehör
Dieses online-Tutorial richtet sich an Anfänger und Einsteiger, es ist der vierte Teil der Serie “Zeichnen lernen” – und hier geht es um Flächen. Wie in den ersten Teilen beschrieben (1: “Wie anfangen (Grundlagen)“, 2: “Freihand vom Auge zur Hand“, 3: “Mit Raster eine Vorlage abzeichnen“), ist es am einfachsten und effektivsten, zeichnen mit dem Bleistift zu erlernen. Die Bleistiftlinie ist immer eine Linie. Statt die Flächen einfach dunkel auszumalen, kann man sie auch schraffieren. Das Schraffieren ist eine Jahrhunderte alte Tradition, die eine Zeichnung lebendig macht. Das Prinzip der Schraffur kommt ursprünglich aus der Druckgrafik (Holzschnitt, Kupferstich etc.). Dunkle Flächen wurden dabei mit Linien erzeugt. Aber auch in der Zeichnung ist die Schraffur schon seit Jahrhunderten eine beliebtes Stilmittel.
Eine Schraffur ist also nicht nur ein handwerkliches Arbeitserzeugnis, sondern ein künstlerisches Stilmittel.
Die Schraffur wird im Auge lebendig
Eine Schraffur arbeitet mit dem Auge des Betrachters: Wenn man die Zeichnung aus der Nähe betrachtet, kann man die feinen Striche gut auseinander halten. Aber je weiter man sich entfernt, um so mehr setzt sich die Schraffur zu einen “Grauwert” zusammen. Das Auge kann die einzelnen Linien nicht mehr klar voneinander trennen, und so wird die Schraffur zur Fläche. (Mehr über diesen Effekt und die Sehschärfe bei Sehtestbilder.de)
Besonders werden Schraffuren natürlich in den “Schattenbereichen” benutzt, dort, wo es in der Zeichnung dunkel sein soll. Durch das Zusammenspiel von Licht und Schatten entsteht Plastizität und Räumlichkeit. Und Schraffuren helfen, Plastizität und Räumlichkeit in Zeichnungen zu erzeugen. Daher werden beide Themen hier in einem Artikel zusammen behandelt.
Schraffieren: parallele Striche
Zunächst zum Schraffieren. Eine einfache Schraffur entsteht durch eine Reihe von parallel gezeichneten Linien (siehe Abbildung rechts.) Wenn Sie eine einfache Schraffur üben, dann achten Sie vor allem darauf, langsam und mit bedacht zu zeichnen. Häufig sehen Schraffuren aus, als wären sie sehr schnell hin gezeichnet worden. Das mag bei den großen Meistern auch so gehen, aber gerade Anfänger sollten sehr langsam beginnen. Die Geschwindigkeit ist kein Qualitätskriterium für die fertige Zeichnung. Dort werden nur Linien zu sehen sein. Und für den Anfang gilt: je sauberer die Linien, desto besser der künstlerische Effekt.
Aus der Hand schraffieren
Übung: zeichnen Sie verschiedene Schraffuren. Beginnen sie mit einer einfachen, die aus ihrem Handgelenk kommt (ca. 5 cm lang). Rechtshänder werden automatisch von links unten nach rechts oben zeichnen. Denn so verläuft die Bewegung mit dem geringsten physiologischen Widerstand. Wenn Sie langsam zeichnen, wird es vermutlich nach einiger Zeit recht gut gehen.
Die Probleme treten erst jetzt auf: zeichnen Sie eine Schraffur, deren Linien von links oben nach rechts unten laufen sollen. Das ist recht schwierig, weil es keine natürlich Achse in der Hand gibt, die das einfach gewährleisten könnte. Es gibt also zwei Möglichkeiten: entweder drehen Sie das Blatt (was ich immer empfehlen würde bei kleinen Flächen), oder sie beginnen, die Schraffur aus dem Unterarm heraus zu zeichnen. Dabei können Sie den Handballen nicht mehr als sichere Stütze benutzen, sondern müssen die ganze Hand ziehen.
Aus dem Arm schraffieren
Dieses Schraffieren aus dem Arm wird auch dann wichtig, wenn die Schraffur größer als der natürliche Neigungswinkel ihrer Hand wird. Eine Schraffur über 15 cm kann man nicht mehr nur aus der Hand zeichnen – das geht nur, wenn sie mit jeder Linie die gesamte Hand über das Papier bewegen. Auch hierbei gilt: seinen Sie vor allem nicht zu hastig. Und ärgern Sie sich nicht über kleine “Verwackler”. Die Sicherheit kommt mit der Erfahrung / Übung. Wenn Sie erst mal 1000 Linien gezeichnet haben, wird es spürbar sicherer und einfacher.
Hell / Dunkel und Graustufen schraffieren
In aller Regel ist der Abstand zwischen den Linien 0,5 – 1 Millimeter. Der oben beschriebene Effekt, dass sich die Schraffur dann ab einer bestimmten Entfernung als Fläche zeigt, tritt so in einer Entfernung von ca. 3-4 Metern ein. Das entspricht menschlichen “Wohnverhältnissen”. Aber im Prinzip lässt sich der Abstand der Linien einer Schraffur natürlich frei festlegen. Zeichnen Sie auf einem Blatt mehrere kleine Schraffuren, deren Linienabstand immer größer wird. Hängen Sie die Zeichnung dann auf und beobachten Sie die Wirkung, wenn sie einige Schritte zurück machen.
Je weiter die Linien auseinander sind, um so “heller” wird die Fläche. Natürlich können Sie auch unterschiedlich stark aufdrücken. Aber das entspricht nicht der “Schraffur”-Logik. Im Grunde differenzieren Sie die Grauwerte in einer Schraffur über den Abstand der einzelnen Linien: je dichter, desto dunkler.
Man kann, wenn man geübt ist, auch durch unterschiedlich starken Druck des Bleistiftes Plastizität erzeugen. Das ist allerdings in der praktischen Umsetzung sehr schwierig und als Übung für Anfänger und Einsteiger nicht unbedingt zu empfehlen. Konzentrieren Sie sich in den ersten Wochen lieber auf das Wesentliche.
Die Kreuzschraffur
Eine besonderes Stilmittel ist die Kreuzschraffur. Dabei werden mehrere Schichten von einfachen Schraffuren übereinander gezeichnet. Der Winkel der Linien führt dabei zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Sehr dunkle Flächen werden in aller Regel mithilfe einer Kreuzschraffur erzeugt. Zeichnen Sie als Übung auf einem Blatt mehrere Kreuzschraffuren, die einen unterschiedlichen Winkel zueinander haben. Zunächst nur zwei Ebenen, dann eine Dritte und sogar eine vierte. Sie werden bemerken, dass die Fläche nicht nur dunkler wird, sondern vor allem auch “eine Richtung” bekommt, je kleiner der Winkel ist (also je ähnlicher die Richtungen sind).
Diesen Effekt der “Richtung” innerhalb einer Schraffur kann man nutzen, um Plastizität oder Räumlichkeit zu erzeugen.
Hilfsmittel zum Schraffieren
Aus der Druckgrafik sind entsprechende Hilfsmittel bekannt, für die Bleistiftzeichnung kenne ich sie nicht (bitte ggf. in den Kommentaren berichtigen). Man kann aber ein Zeicheninstrument zum Schraffieren selber basteln, wenn man zum Beispiel große Flächen schraffieren möchte. Sie brauchen dafür fünf oder sechs Bleistifte gleichen Typs (zum Beispiel “B2″), die Sie nebeneinander auf einem Stück Karton fixieren. Umwickeln sie die Stifte mit Klebeband und und kleben sie sie anschließend auf den Karton. Das Problem: zum Anspitzen müssen sie die Konstruktion jedes mal wieder lösen und dann aufs Neue herstellen. Aber bei großen Flächen lohnt es sich.
Beim Schraffieren mit so einem Hilfsmittel gehen Sie wie folgt vor: zeichnen sie immer in der Mittel zwischen zwei Linien weiter , sonst stimmt der Abstand oft nicht.
Schraffuren sind ein künstlerisches Ausdrucksmittel
Abschließend noch ein Wort über Schraffuren in künstlerischen Zeichnungen an sich. Eine Schraffur ist eine Methode, um den Grauwert von Flächen zu definieren. Durch die vielen feinen Linien entsteht immer eine “besondere Wirkung”. Man kann Flächen, insbesondere bei Bleistift-Zeichnungen, auch einfach ausmalen und über den Druck den Grauwert bestimmen. Aber die Schraffur ist ein besonderes Ausdrucksmittel, weil sich die Wirkung der Zeichnung mit dem Abstand des Betrachters ändert. Hinweis: Für saubere Schraffuren eignen sich in Bleistiftzeichnungen vor allem die H-Härtegrade, da die Mine länger spitz bleibt. Siehe dazu auch: Welcher Bleistift ist zum Zeichnen am besten geeignet?
Natürlich kann man auch mit einem Lineal schraffieren, aber die individuelle Note bekommt eine Zeichnung eben erst durch Freihand-Schraffuren. Das sollten Sie auf dem Weg vom “Zeichnen lernen” hin zum “Zeichnen können” stets bedenken.
Viel Erfolg beim Schraffieren. Weitere online-Tutorial zum Thema Malen und Zeichnen lernen (von Martin Mißfeldt)