Schattieren ist eine künstlerische Technik, die vor allem beim Zeichnen, aber auch beim Malen oder im Grafikdesign benutzt wird. Durch Schattieren wird "Schatten" im Bild erzeugt, was im Auge des Betrachter den Eindruck hervorruft, dass es auch "Licht" gibt. "Wo Licht, da auch Schatten!" lautet eine Binsenweisheit. Da Zeichnungen häufig auf hellem bzw. weißem Papier gezeichnet werden, muss man sich als Künstler*in nicht um das Licht kümmern - es ist als Weiß sowieso schon vorhanden. Man muss durch Schattieren nur dafür sorgen, dass das Weiß als Licht gesehen wird, indem man den "Gegenpart", den Schatten, als dunkle Fläche zeichnet.
Am Ende dieses Artikels finden Sie einige einfache Übungen, wie Sie das Schattieren einfach erlernen können.
- Zeichnen lernen Schritt für Schritt
- (1) Wie anfangen? Grundlagen
- (2) Freihand - vom Auge zur Hand
- (3): mit Raster von Vorlage abzeichnen
- (4): Schraffieren (Schraffuren zeichnen)
- (5): Schattieren (Licht und Schatten)
- (6): Stillleben zeichnen
- (7): Räume zeichnen (Perspektive)
- (8): Tiere zeichnen
- Zeichnen: Material und Zubehör
Beim Schattieren werden häufig zeichnerische Verläufe als weiche, verblendete Übergänge von Hell nach Dunkel gezeichnet. Neben dem Verblenden kann man Schatten auch mit Hilfe von Schraffuren zeichnen. Siehe dazu auch: Welcher Bleistift ist zum Zeichnen am besten geeignet?
Schattieren ist ein wichtiges Element der bildenden Kunst und wird verwendet, um eine Illusion von Volumen, Tiefe und räumlicher Wahrnehmung zu erzeugen. Es erfordert Kenntnisse über Licht und Schatten, Perspektive und Form, um realistische oder stilisierte Darstellungen zu schaffen. Eine Schraffur ist also nicht nur ein handwerkliches Arbeitserzeugnis, sondern ein künstlerisches Stilmittel.
Grundlegende Voraussetzung für Schatten
Die Voraussetzung für Schatten im Bild ist die Vorstellung, dass die zweidimensionale Bildfläche einen dreidimensionalen Raum simuliert. Nur in einem gedachten "Bildraum" sind Objekte an sich plastisch und in einem Bühnenraum positioniert. Schatten ist also mehr als nur eine Verdunkelung oder eine dunkle Fläche. Schatten ist im Bild eine Reaktion auf einen Körper, der eine Plastizität und Volumen hat. Dieser Körper hat eine licht-zugewandte und eine licht-abgewandte Seite.
Vereinfacht gesagt: Schattierung dient dazu, im Auge die Illusion von Körperlichkeit und Volumen zu erzeugen. Das Thema Schattierungen ist daher eng verknüpft mit dem Thema Perspektive, bei dem es um die Darstellung von Raumillusion im Bild geht.
Kein Schatten ohne Licht: Damit Schatten sichtbar wird, braucht man eine Lichtquelle. Diese Lichtquelle muss nicht zwingend im Bild zu sehen sein. Sehr häufig ist sie nur gedacht, oft kommt das Licht von oben - von einer gedachten Lichtquelle, die sich außerhalb der Bildfläche befindet.
Wann macht Schattieren Sinn und wann nicht?
Schattieren macht in der Regel dann Sinn, wenn man in einem Bild oder einer Zeichnung eine illusionäre Tiefe, Dimensionalität oder Plastizität erzeugen möchte. Es wird oft verwendet, um Objekte oder Figuren auf einer zweidimensionalen Fläche realistischer erscheinen zu lassen. Dazu gehören zum Beispiel:
- Darstellung von Volumen: Schattieren kann helfen, die Form und das Volumen von Objekten darzustellen. Es ermöglicht, dass sie aussehen, als ob sie im Raum stehen oder sich überlappen.
- Lichtquelle und Schattenwurf: Schattieren hilft dabei, die Richtung und Intensität des Lichts in einer Szene darzustellen. Dadurch können Schatten erzeugt werden, die wiederum zur Tiefe und zum Realismus des Bildes beitragen.
- Hervorhebung von Details: Durch Schattieren können bestimmte Bereiche betont werden, indem man ihnen mehr Tiefe und Kontrast verleiht. Dadurch können bestimmte Teile des Bildes hervorgehoben werden.
- Erzeugen von Kontrasten: Bilder werden durch Kontraste, vor allem dem Hell-Dunkel-Kontrast, lebendig und aufregend. Der Schatten bildet dabei die dunklen Flächen, während das Licht hell bzw. weiß ist..
Grob vereinfacht helfen Schattieren immer dann, wenn es um die Darstellung von Plastizität und Räumlichkeit geht. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass Bilder, die eher gegenstandslos oder stilisiert sind, keine Schattierung erfordern.
- Stilisierte oder abstrakte Kunst: In einigen Fällen kann ein Künstler bewusst auf Schattierung verzichten, um einen bestimmten Stil oder eine bestimmte Stimmung zu erzeugen. Stilisierte oder abstrakte Kunstwerke können bewusst auf realistische Schatten verzichten, um eine andere Wirkung zu erzielen.
- Flache Grafiken oder Illustrationen: Manchmal kann eine flache Darstellung oder eine bestimmte ästhetische Präferenz erfordern, dass Schatten nicht verwendet werden. In solchen Fällen kann eine vereinfachte Farbgebung ohne Schattierung bevorzugt werden.
- Fokussierung auf Farben: Schattierung basiert auf Dunkelheit, also der Abwesenheit von Licht. Wenn es künstlerisch nur um Farben geht, ist eine Schattierung manchmal nicht erwünscht. Einige Künstler*innen haben daher Schatten keine Dunkelheit, sondern eine - im physikalischen Sinne - gleich helle Farbe gegeben (siehe dazu zum Beispiel die Fauvisten und Expressionisten, z.B. Henry Matisse.)
- Künstlerische Entscheidung: Schließlich ist die Verwendung von Schattierung letztendlich eine künstlerische Entscheidung. Ein Künstler kann wählen, ob er Schattierung einsetzen möchte oder nicht, um die beabsichtigte Botschaft oder Stimmung des Werkes zu vermitteln.
Es gibt also keine strikten Regeln dafür, wann Schattierung Sinn macht oder nicht. Es hängt von den künstlerischen Zielen, dem gewünschten Stil und der beabsichtigten Wirkung des Werkes ab.
Zwei Arten von Schatten
Da Schatten zwei entscheidende Dinge voraussetzt: Licht und Raum, gibt es zwei grundlegende Arten von Schatten:
- Eigenschatten: Der Eigenschatten, auch bekannt als Formschatten oder Kernschatten, ist der Schatten auf derjenigen Seite eines Objekts, die nicht vom Licht direkt beleuchtet wird. Der Eigenschatten entsteht, wenn das Licht von einem Objekt blockiert oder absorbiert wird. Er hilft dabei, die Form und die räumliche Struktur des Objekts darzustellen.
- Schlagschatten (auch Wurfschatten oder Raumschatten): Der Schlagschatten ist ein projizierter Schatten, der entsteht, weil ein Objekt das Licht blockiert und einen Schatten auf die dahinter liegende Oberfläche wirft. Der Wurfschatten oder Schlagschatten liegt auf der Oberfläche, auf die der Schatten projiziert wird, und kann je nach Lichtquelle und Position des Objekts variieren. Der Wurfschatten hilft dabei, die Beziehung zwischen dem Objekt und dem Raum zu verdeutlichen.
Diese beiden Arten von Schatten sind eng miteinander verbunden und treten fast immer gleichzeitig auf. Der Eigenschatten betont die Form und Struktur eines Objekts, während der Wurfschatten die Interaktion zwischen Objekten und deren Umgebung zeigt. Beide Schattenarten sind wichtig, um eine realistische Darstellung von Licht und Schatten zu erzeugen und Tiefe und Volumen in einem Bild zu erzeugen.
Vor allem in Skizzen beachtet man häufig nur den Eigenschatten und vernachlässigt den Schlagschatten (Raumschatten). Man klärt mit zwar die Form und Plastizität des Objektes, aber eben nicht seine Position im Raum.
Fünf einfache Übungen, um Schatten-zeichnen zu lernen
Wie immer beim Zeichnen-Üben würde ich auch hier empfehlen, die Dinge zunächst im Kopf zu klären. Machen Sie sich bewusst, was "Licht" und was "Bildraum" bedeutet.
Bildraum bedeutet, dass das Bild / die Zeichnung eine Raum-Illusion darstellt. Sie erzeugen auf einer flachen, zwei-dimensionalen Bildfläche einen dreidimensionalen (Bühnen-) Raum. In diesem Bühnenraum gibt es eine oder mehrere Lichtquellen. Nur durch dieses Licht werden die Dinge auf Ihrem Bild überhaupt sichtbar. Ohne Licht wäre alles schwarz. Der Schatten ist das verbindende Element: er gibt den Gegenständen und Dingen ein Volumen, eine Körperlichkeit und Plastizität, und verortet diese Dinge gleichzeitig im Bildraum. Schatten ist fundamental wichtig, wenn man einen realistischen (gegenständlichen) Bildeindruck erzeugen möchte.
Als erste Übung für diese "Klärung" empfehle ich, sich einfach umzuschauen und den Raum "als Raum zu sehen". Beobachten Sie, wo die Lichtquellen sind. Beobachten Sie dann, wo Schatten entsteht: was sind die dem Licht abgewandten Seiten? Erst wenn Sie das im Kopf klar haben, ist das Zeichnen von Schatten wirklich sinnvoll. Siehe dazu auch: "Die Erfindung des Bildraumes mit Hilfe der Fluchtpunktperspektive".
Die zweite Übung ist ein Arbeitsblatt, dass ich auch mit meinen Schülerinnen und Schülern im Kunstunterricht nutze. Es hilft dabei, aus einfachen geometrischen Figuren (Quader, Kegel, Pyramide und Kugel) mit Hilfe von Schattierung in plastische Körper umzuwandeln. Sie können das Arbeitsblatt als PDF öffnen, herunterladen und/oder ausdrucken. Siehe Aufgabe: Plastische Körper zeichnen (PDF, ca. 234 kb)
Die dritte Übung ist ebenfalls recht einfach: Zeichnen Sie einen Kreis (Kugel, Kartoffel, Ei) auf ein weißes Blatt. Wenn der Kreis nicht perfekt rund ist: egal. Anschließend überlegen Sie, wo ihre Lichtquelle im Bild ist (Goldene Regel: links oben ist am einfachsten). Und nun schraffieren sie die licht-abgewandte Seite mit dunklen Linien. Bei runden Formen benötigen Sie einen Verlauf, den Sie am besten mit Hilfe des Verblendens erzeugen (weiche Übergänge mit Hilfe mehrerer blasser Schichten zeichnen).
Wenn Sie diesen Eigenschatten fertig haben, zeichnen Sie den Raumschatten. Tipp: wenn sie den Raumschatten direkt unter das Objekt zeichnen (ohne weißen Zwischenraum, sieht es aus, als würde die Kugel auf dem Boden liegen. Aber wenn Sie den Schlagschatten so zeichnen, das ein wenig weißer Zwischenraum zur Kugel besteht, dann sieht es aus, als würde die Kugel fliegen (siehe Abbildung oben).
Die vierte Übung hat eher mit dem Werkzeug zu tun: es geht um das Verblenden, also den stufenlosen Verlauf von hell nach dunkel. Das ist mit dem Bleistift möglich, weil man mit Hilfe des Drucks die Dunkelheit des Abriebs kontrollieren kann. Wenn Sie ein anderes Werkzeug benutzen, das nur schwarze Linien erzeugt (z.B. Tusche und Feder), ist es deutlich schwieriger, einen Hell-Dunkel-Verlauf zu zeichnen. In diesem Fall benötigen Sie Schraffuren. Mehr dazu siehe Zeichnen lernen (4): Schraffieren (Schraffuren zeichnen). Genau genommen ist das eher Handwerk und weniger eine Frage des Schattierens.
Als fünfte Übung empfehle ich, einen Apfel (oder eine Birne oder Banane) zu zeichnen. Dafür benötigen Sie eine Schuhkarton (oder ähnlichen Karton). Stellen Sie dann Karton so auf die Seite, das die Öffnung vor Ihnen liegt. Legen Sie nun ein weißes Blatt Papier hinein und platzieren Sie den Apfel mittig auf dem Papier. Das sollten Sie nun genau beobachten und dann abzeichnen.
Warum der Schuhkarton? Ein grundlegendes Problem beim Thema Schatten-zeichnen ist, dass es um uns herum in aller Regel sehr viele Lichtquellen gibt. Entsprechend komplex sind die Schatten und die Verläufe von Hell nach Dunkel. Jede weiße Wand, jeder glatte Tisch, jedes Glas und jede Metall-Oberfläche reflektiert das Licht im Raum. Dadurch sind fast alle Gegenstand von fast allen Seiten beleuchtet. Der Schuhkarton sorgt dafür, dass das Licht nur die Vorderseite beleuchtet. Wenn Sie es ganz genau machen wollen, können Sie den Karton von Innen schwarz ausmalen oder mit schwarzer (matter) Folie bekleben. Dann wir die Eigen-Reflexion durch die Karton-Seiten weiter vermindert.
Die Fokussierung erleichtert es, Schatten wirklich zu sehen und zu verstehen. Sie werden sehen: dadurch wird das Schatten-zeichnen viel plausibler und einfacher.
Diese letzte Übung ist zugleich der Einstieg in die "klassische Ausbildung". Oben haben Sie einen Faltenwurf von Leonardo da Vinci gesehen. Seit der Renaissance suchen sich Künstler mehr oder weniger komplexe Gegenstände, die sie zeichnen. Die Bleistiftzeichnung ist für diese Übungen besonders geeignet. Denn der Bleistift erlaubt es, nahezu stufenlos von Hell nach Dunkel zu variieren bzw. zu verblenden. Ob nun ein Apfel, ein Faltenwurf, ein Schädel oder eine zerknülltes Papier: suchen Sie sich Gegenstände, die möglichst wenig Farbe haben. Um so einfacher ist es, die Licht und Schattenpartien zu erkennen. Und was man sehen kann, das kann man auch zeichnen.
Viel Erfolg!