
Der Warm-Kalt-Kontrast (oder auch Kalt-Warm-Kontrast) gehört zu den sieben klassischen künstlerischen Kontrasten. Ein Kontrast ist ein Gegensatz, etwas, das sich "gegenübersteht" und dadurch "Spannung aufbaut". Mit Hilfen von Kontrasten werden in künstlerischen Bildwerken und Gemälden visuelle Spannungen aufgebaut, die die Bildwirkung steigern und es ermöglichen, dass Bild besser zu erfahren und zu verstehen. Maler nutzen Kontraste, um Stimmungen zu erzeugen und um (emotionale) Botschaften zu transportieren.
Der Kalt-Warm-Kontrast basiert darauf, dass die psychologische Wirkung bestimmter Farben von den meisten Menschen auch als eine "Farbtemperatur" bezeichnet wird. Demnach werden Orange und die angrenzenden bzw. ähnlichen Farbtöne wie Rot, Gelb, Gold, Ocker, Braun eher als warm bezeichnet. Dem gegenüber stehen Blau und die angrenzenden Farben Türkis, Blaugrün, Violett bzw. Lila (siehe dazu: Unterschied zwischen Violett und Lila). Die letztgenannten Farben wirken auf die meisten Menschen eher kalt. In dem Farbkreis liegen sich die warmen Farben und die kalten Farben genau gegenüber (siehe Abbildung). Blau und Orange sind damit auch ein Komplementärkontrast.
Man kann aus den Farben Blau und Orange bzw. den angrenzenden Farbtönen weitere Kontrast-Paare bzw. Begriffsgegensätze aufstellen:
Blau (kalt) | Orange (warm) |
beruhigend | erregend |
fern | nah |
feucht | trocken |
schattig | sonnig |
leicht | schwer |
luftig | erdig |
durchsichtig | undurchsichtig |
All diese Eigenschaften beruhen letztlich auf dem genannten Kalt-Warm-Gegensatz. Bildender Künstler bzw. Malerinnen und Maler haben sich diese Wirkungen zunutze gemacht und ihre Bilder entsprechend komponiert, um bestimmte Wirkungen zu erzielen.
Kalt-Warm-Kontrast in Gemälden der Kunstgeschichte

Landschaft von Giorgione)
Am einfachsten und plausibelsten ist der Kalt-Warm-Kontrast in der Landschaftsmalerei. Der Vordergrund wird meist von erdigen, schweren, rötlich-braunen Tönen dominiert, die warm und nahe wirken. Das Bild fließt dann über Grüntöne in die Ferne, wo kalte blaue und graue Töne vorherrschen. Schon in der Renaissance, als die Künstler die "reale Welt" um sich herum als Motiv entdeckten, wurde der Warm-Kalt-Kontrast zur Erzeugung von Bildtiefe und Entfernung genutzt. Eines der ersten Landschaftsbilder ist das berühmte Gemälde "Das Gewitter" des venezianischen Malers Giorgione (1478 - 1510). Übrigens: meine neopointilistische Version von Giorgiones Gemälde kann man hier anschauen.
In der Abbildung erkennt man das Prinzip: im Vordergrund sind warme rot-braune und Ockerfarben vorherrschend, im Mittelgrund grüne Töne der Natur (Bäume und Wasser), der Hintergrund (die Gewitterwolken oben) wird von kalten Blautönen dominiert. Neben dem Warm-Kalt-Kontrast sei bei diesem Bild auf die Verwendung der Perspektive in der Architektur hingewiesen, die die Tiefenwirkung verstärkt.

Mona Lisa (Leonardo da Vinci), 1503/1505
Wer einmal im Gebirge war, wird wissen, dass sich Berge mit zunehmender Entfernung hellblau färben und an Hell-Dunkel-Kontrast verlieren. Dieses Wissen nutzte auch Leonardo da Vinci (1452 - 1519), einer der bekanntesten Renaissance-Künstler, um seine "Mona Lisa" in einen schier unendlichen Bildraum einzubetten.
Die Bildkomposition, in der die Figur der Mona Lisa in einem stabilen Dreieck ruht, führt dazu, dass ihr Kopf vor dem kühlen Hintergrund erscheint. Der Kontrast ist dort - in der oberen Hälfte des Bildes - am stärksten, was dazu führt, das der Betrachter-Blick immer wieder dort hin gezogen wird.
Interessant ist zudem, dass Leonardo in seinem Gemälde eben keine perspektivische Konstruktion nutzt, um räumliche Tiefe zu erzeugen. Stattdessen wird die Tiefenwirkung ausschließlich über den Verlauf von Rotbraun/Schwarz im Vordergrund über grün/ocker im Mittelgrund bis hin zu Türkis, Blau und Hellgrau im Hintergrund erzielt. Die Landschaft wirkt durch das Fehlen einer perspektivischen Konstruktion "unmenschlich", übernatürlich, fast wie von einem anderen Stern. Übrigens: meine Giraffen-Version der Mona Lisa ist hier zu sehen.
Auch das folgende Gemälde des englischen Malers William Turner (1775 - 1851) aus der Epoche der Romantik basiert auf einem sehr spannungsvollen Kalt-Warm-Kontrast.

Das ausgediente Segelschiff "Temeraire" wird durch einen modernen Raddampfer abgeschleppt. Bildlich gesprochen: Das blasse, kalte, fast geisterhaft und wie in Auflösung begriffene Segelschiff wirkt kraft- und leblos. Dagegen ist der Raddampfer die pure Energie: kontrastreich, warm, braun, man spürt regelrecht die Hitze des Feuers, mit dem das Schiff angetrieben wird. In Turners Gemälde korrespondiert dieser Kontrast mit dem Blau des Himmels und dem Rot der untergehenden Sonne.
Man erkennt, wie geschickt William Turner sein Bild komponiert hat, um mit Hilfe des Warm-Kalt-Kontrastes zu zeigen, dass das alte Segelschiff ausgedient hat und die Zukunft den modernen Dampfschiffen gehört.

Das NAchtcafe von Vincent van Gogh, 1888
Auch Vincent van Gogh (1853 - 1890) hat den Warm-Kalt vielfach genutzt, zum Beispiel in seinem Gemälde "Das Nachtcafe" (siehe Abbildung) aus dem Jahr 1888. Vincent van Gogh malte an einer Schwelle zwischen Impressionismus und Expressionismus. Seine Bilder basieren noch auf der Naturbeobachtung, aber sie sind zugleich enorm ausdrucksstark. Das verdankt er vor allem seiner - oft übertriebenen, fast grellen - Farbigkeit. Die Dramatik seiner Gemälde hat oft auch mit der Nutzung eines Warm-Kalt-Kontrastes zu tun.
Während die Nacht kühl, entrückt und unpersönlich dämmert, wirken die gelb-orangen Fenster warm und belebt. Insbesondere die Cafe-Terasse auf der linken Bildseite, deren Fußboden Orange-Braun und Wände grell gelb leuchten, steht in krassem Kontrast zum kalten, blauen Himmel.
Man könnte es auch verkürzen auf: wo Menschen sind, ist Wärme. Diese heimelige Atmosphäre wird von vielen Betrachtern als angenehm und erstrebenswert angesehen. Bei aller Dramatik um sein leidvolles und kurzes Leben hat van Gogh es immer wieder geschafft, wunderschöne, emotional sehr positiv wirkende Bilder zu malen.

Der Schrei Edvard Munch, 1888
Als letztes Beispiel in diesem Artikel möchte ich noch kurz auf ein Bild eingehen, das fast zeitgleich zu dem zuvor genannten van-Gogh-Gemälde entstanden ist. "Der Schrei" des norwegischen Malers Edvard Munch (1863 - 1944) aus dem Jahr 1890 ist ein schönes Beispiel, wie man den Warm-Kalt-Kontrast auch umkehren kann, um eine unheimliche, angstvolle Stimmung zu erzeugen. Wie bei den oben gezeigten Bildern ist das Schema normalerweise: oben ist Blau, Kälte, Ferne. Unten ist Nähe, Wärme, Menschlichkeit. Edvard Munch dreht das nun um: sein Himmel ist leuchtend Orange mit Gelb und Rot, während der Mittel - und Vordergrund grau, teilweise blau und stumpf ist. Der Kopf der schreienden Figur wird umrahmt von blau-kaltem Wasser. Der Kalt-Warm-Kontrast bewirkt, dass die untere Bildhälfte noch kälter und unheimlicher wirkt, als wäre das Bild nur ganz in Blau gehalten.
Der Ausdruck von Angst, Verstörung und Verzweiflung wird in dem Gemälde sehr anschaulich mit Hilfe der Farben dargestellt. Munch gilt daher als ein Vorläufer der Expressionisten, die sich genau genommen erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts formierten.
Zusammenfassung / Tipps
Der Artikel hat hoffentlich verdeutlicht, welche Kraft in der Nutzung des Kalt-Warm-Kontrastes liegt, insbesondere für bildende Künstler. Wenn Sie hier lesen, um bessere Bilder zu malen, noch einmal grob vereinfacht:
- Blaue Farbtöne vermitteln Kälte, Entfernung, Distanz, Schatten, Schwäche.
- Rote und orange Farbtöne erzeugen Wärme, Energie, Nähe, Freundlichkeit.
Natürlich ist das nur eine Faustregel - und in dem Versuch, sie zu brechen, liegt oft ein besonderer Reiz. Wichtig ist vor allem, dass einem bewusst ist, dass der Warm-Kalt-Kontrast die Botschaft und Wirkung eines Gemäldes erheblich beeinflusst. Viel Spaß und Erfolg beim Malen.
Hinweis: alle Bilder dieses Artikel dürfen für schulische Zwecke gerne verwendet werden.

Durch Punkte (Neo-Pointilismus) wird Farbwirkung verstärkt.