Komplementär-Kontrast, Kunstunterricht

Der Komplementärkontrast einfach erklärt

Komplementärkontrast der Primär- und Sekundärfarben
Komplementärkontrast mit Primär- und Sekundärfarben

Ein Komplementärkontrast ist ein Kontrast, der durch die Kombination von gegensätzlichen (komplementären) Farben entsteht. Er ist eine besondere Form des Farbe-an-sich-Kontrasts. Komplementärfarben sind Farben, die sich im Farbkreis direkt gegenüberliegen und sich dadurch visuell stark voneinander unterscheiden. Die Abbildung des Farbkreises kann das verdeutlichen. Wenn sie nebeneinander stehen oder miteinander gemischt werden, erzeugen sie einen besonders lebendigen und auffälligen Kontrast. Der Komplementärkontrast kann bei gleicher Farbhelligkeit oder -intensität einen spannungsreichen Kontrast erzeugen. Das gilt sowohl für die abstrakte Malerei als auch für gegenständliche Malerei.

Komplementärfarben im Farbkreis

Im traditionellen Farbkreis basieren die Komplementärfarben auf den drei Primärfarben Rot, Gelb und Blau. Die entsprechenden Komplementärfarben sind:

Farbkreis  mit Primärfarben (außen), Sekundärfarben (mittig) und Tertiärfarben (innen)
Farbkreis mit Primärfarben (außen),
Sekundärfarben (mittig) und Tertiärfarben (innen)

Nebenbei: zum Unterschied zwischen Violett und Lila habe ich auch etwas geschrieben.

Definition: Die Komplementärfarbe einer Primärfarbe ist immer die Mischung aus den anderen beiden Primärfarben.

Wenn man Komplementärfarben nebeneinander platzieren, verstärken sie sich gegenseitig und erzeugen einen starken Kontrast.

Um den Komplementärkontrast beim Malen intuitiv nutzen zu können, muss man den klassischen Farbkreis mit den Grundfarben: Rot, Gelb und Blau "auswendig" lernen bzw. visuell verinnerlichen. Ansonsten muss man immer nachschauen, welche Farben sich im Farbkreis gegenüberliegen. Der Komplementärkontrast ist eng verknüpft mit dem Kalt-Warm-Kontrast.

Beispiele für Komplementärkontrast

In der Kunstgeschichte gibt es viele Beispiele, in denen Künstler den Komplementärkontrast besonders anschaulich verwendet haben, um eine starke visuelle Wirkung und eine dynamische, lebendige Bildkomposition zu erzeugen. Hier sind einige berühmte Beispiele (die ich übrigens auch regelmäßig im Kunstunterricht mit meinen Schülern behandel).

"Das Nachtcafe" von Vincent van Gogh

Komplementärkontrast bei van Gogh (Nachtcafe)
Komplementärkontrast: Gelb und Blau,
Das Nachtcafe von Vincent van Gogh, 1888

Das "Nachtcafe" (1888) von Vincent van Gogh wird durch einen sehr starken Komlementärkontrast geprägt: das künstliche gelb-orange Licht des Cafes kontrastiert das leuchtende Blau-Violett des Nachthimmels. Alle übrigen Elemente und Farbflächen des Bildes ordnen sich diese Spannung der Farben unter.

Van Gogh hat in vielen seiner Bilder mit spannungsreichen Komplementär-Kontrasten gearbeitet, die seinen Bildern zum einen die energiegeladene Leuchtkraft verleihen, und zum anderen sehr spannungsreich seine innere Zerrissenheit vor Augen führen.

"Weizenfeld mit Krähen" von Vincent van Gogh

Komplementärkontrast: "Weizenfeld mit Krähen", Van Gogh
"Weizenfeld mit Krähen", Vincent van Gogh, 1890
Beispiel für Komplementärkontrast

In seinem letzten Gemälde "Weizenfeld mit Krähen" verwendet van Gogh den Komplementärkontrast zwischen Gelb/Orange/Braun im Vordergrund und Blau/Violett im nächtlichen Himmel. Die warmen gold-gelben Farbtöne des Weizenfeldes kontrastieren stark mit den violett- blauen Farbtönen des Nachthimmels, was dem Bild eine fesselnde und dynamische Wirkung verleiht. Es war das letzte Bild, dass der unglückliche und halbwahnsinnige van Gogh gemalt hat. Am darauffolgenden Tag schoss er sich selber - in eben diesem Feld - eine Kugel in die Brust. Einige Tage später erag er dieser Verletzung.

"Die Schrei" von Edvard Munch

Komplementärkontrast: Der Schrei (Edvard Munch)
"Der Schrei" von Edvard Munch, 1890
Beispiel für Komplementärkontrast

In diesem berühmten Gemälde verwendet Munch den Komplementärkontrast zwischen Gelb und Blau, um eine Atmosphäre von Angst und Unbehagen zu erzeugen. Das leuchtende Gelb des Himmels steht im starken Kontrast zu den düsteren Blautönen der Umgebung. Die übrigen Farben sind Komplementär-Mischfarben (siehe unten): durch das gegenseitige Vermischen entsteht ein neutrales Grau.

Dieses Bild ist eine Ikone der Malerei. Es läutet eine völlig neuartige Epoche in der Kunstgeschichte ein: den Expressionismus.

"Die roten Pferde" von Franz Marc

Komplementärkontrast: Franz Marc, Die Roten Pferde
"Die roten Pferde" von Franz Marc (1911)
Beispiel für Komplementärkontrast

Dieses berühmte Bild aus dem Jahre 1911 zeigt drei Pferde in einer Landschaft. Franz Marc gehörte zur Künstlervereinigung "Der blaue Reiter", die vorwiegend in München agierte und neben der Dresdner Gruppe "Die Brücke" das Rückgrat des deutschen Expressionismus bildete.

Die roten Pferde bilden einen leuchtend starken Komplementärkontrast mit den grün und blau-Tönen in der Landschaft. Das hintere Pferd geht ins Violett und kontrastiert dadurch besonders mit dem gelblichen Himmel.

"Les Demoiselles d'Avignon" von Pablo Picasso

"Les Demoiselles d'Avignon" von Pablo Picasso (1907)
"Les Demoiselles d'Avignon"
von Pablo Picasso (1907)

Mit diesem revolutionären Gemälde aus dem Jahr 1907 leitet Picasso die Epoche des Kubismus ein. Er verwendet den Komplementärkontrast zwischen Rot und Blau, um die verschiedenen Figuren und Formen zu betonen. Die kräftigen rosa-roten und ockerfarbenen Farbtöne in den Körpern der Frauen stehen im Kontrast zu den blau-weißen Flächen im Hintergrund. Dadurch wird die extreme Bildspannung unterstützt, die sich auch durch die zackigen, kubistischen Formen und Linien zeigt.

Diese Beispiele zeigen, wie Künstler den Komplementärkontrast in ihrer Arbeit geschickt eingesetzt haben, um visuelle Spannung, Ausdruckskraft und Ausgewogenheit zu erzeugen. Durch die geschickte Verwendung von Komplementärfarben haben diese Künstler ihre Werke zu Meisterwerken der Kunstgeschichte gemacht.

Wann verwendet man den Komplementärkontrast?

Komplementärkontrast Schule
Komplementärkontrast Schule

In der Schule werde ich im Kunstunterricht oft gefragt: "Und wofür braucht man den Komplementärkontrast?" An sich doch logisch: Der Komplementärkontrast wird in der Kunst verwendet, um lebendige Bildeffekte zu erzielen und die visuelle Wirkung von Farben zu verstärken.

Es ist wichtig zu beachten, dass der Komplementärkontrast sorgfältig eingesetzt werden sollte, um visuelle Harmonie zu gewährleisten. Zu viel Einsatz von Komplementärfarben kann zu überwältigenden und unruhigen Bildern führen. Die Abstimmung und Balance der Farben ist entscheidend, um die gewünschten visuellen Effekte zu erzielen.

Mischung von Komplementärfarben

Komplementärfarben mischen: Grau (Entmischung)
Komplementärfarben mischen: Grau (Entmischung)

Darüber hinaus können Komplementärfarben gemischt werden, um neutrale oder graue Farben zu erzeugen. Wenn man die Komplementärfarben miteinander mischt, kommt quasi das Gegenteil einer leuchtenden Farbe heraus: sie heben ihre Farbintensität gegeneinander auf. Wenn Sie zum Beispiel Rot und Grün mischen, erhalten Sie eine Grauschattierung. Dies wird als Farbentmischung bezeichnet.

Komplementärfarben finden auch Anwendung in der Farbharmonie und Farbgestaltung, da sie sich gut ergänzen und ein ausgewogenes Gesamtbild erzeugen können.

Die komplementäre Wirkung der Farben wird letztlich im Auge erzeugt, und auf dieser physiologischen Ebene ergibt sich daraus ein besonderer Effekt, den Itten als eigenständigen Kontrast bezeichnet hat: der Simultankontrast.

Siehe auch / Weiterlesen

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