Simultan - Farbkontrast pur

Der Simultan-Kontrast einfach erklärt

Simultankontrast mit Farben
Simultankontrast mit Farben: die grauen
Punkte haben exakt den gleichen Grauton

Der Simultankontrast ist ein Phänomen in der Farbwahrnehmung, bei dem die Farben eines Objekts durch die Umgebung, in der sie betrachtet werden, beeinflusst werden. Wenn zwei Farben nebeneinander oder nahe beieinander betrachtet werden, können sie sich visuell verändern und sich gegenseitig beeinflussen, was zu einem Kontrast zwischen den Farben führt. Die Abbildung veranschaulicht das: die greuen Punkte haben alle den exakt gleichen Grauton - aber durch die verschiedenen angrenzenden Farben wirken sie jeweils anders.

Zunächst kann ein einfaches Bild die mächtige Wirkung des Simultankontrastes demonstrieren. Es stammt von David Novick, einem Professor für Ingenieurspädagogik an der Universität Texas in El Paso. Was sieht man? Farbige Kugeln mit waagerechten, farbigen Streifen, oder?

Simultankontrast Bild 6 Simultankontrast Bild 5

Der Simultankontrast wird in Kunst und Design verwendet, um visuell feine, kaum wahrnehmbare Effekte zu erzeugen und die Wahrnehmung von Farben zu beeinflussen. Bildende Künstler können den Simultankontrast nutzen, um bestimmte Farben in ihren Gemälden zu betonen oder um subtile Schattierungen und Abstufungen zu erzeugen. Der Effekt ist viel stiller und zurückhaltender als zum Beispiel der Hell-Dunkel-Kontrast oder der Komplementärkontrast. Der Simultankontrast verstärkt sich bei längerer Betrachtung - dadurch kann das Bild in seiner ästhetischen Wirkung reifen. Diese kaum wahrnehmbare Veränderung ist für viele faszinierend und lädt zum längeren Verweilen und Betrachten ein.

Zwei Arten des Simultankontrastes

Simultankontrast Helligkeit
Simultankontrast Helligkeit

Es gibt zwei Haupttypen des Simultankontrasts:

Simultankontrast (Helligkeit) simulieren

Mit Hilfe des folgenden Tools lässt sich der Simultankontrast ganz einfach simulieren. Die beiden Quadrate wirken unterschiedlich hell, dabei haben sie natürlich exakt den gleichen Grauwert. Mit Hilfe des Schiebereglers kann man den Hintergrund verschwinden lassen.

Simultankontrast (Helligkeit) Bild 1 Simultankontrast (Helligkeit) Bild 2

Was zeigt das nun? Das Auge verstärkt den Unterschied zwischen zwei Farben. Dadurch wirkt das linke Quadrat heller (und der Umraum dunkler), während es auf der anderen Seite genau umgekehrt ist. Erst wenn der Umraum verschwindet und beide Quadrate den selben Hintergrund haben, sehen die Grauwert wieder identisch aus.

Simultane Farbkomplementarität simulieren

Mit HIlfe des folgenden Tools lässt sich die simultane Farbkomplementarität simulieren. Der Effekt ist etwas schwieriger zu sehen, es hilft, wenn man das Kreuz in der Mitte fixiert. Die beiden Quadrate wirken zunächst einheitlich grau (was sie auch sind). Aber wenn man länger auf das Kreuz schaut, nehmen die grauen Quadrate eine Farbe an - und zwar jeweils die komplementäre Farbe: also bei gelbem Umraum erscheint es violett-grau, bei violettem Umraum erscheint es gelb-grau. Mit Hilfe des Schiebereglers kann man den Hintergrund verschwinden lassen.

Simultane Farbkomplementarität Bild 3 Simultane Farbkomplementarität Bild 4

Was zeigt das nun? Durch die Farbverstärkung bekommt das (kleine) Grau eine Farbwirkung: nämlich genau die komplemantäre Farbe. Dadurch wirkt das linke Quadrat violett-grau (und der Umraum noch leuchtender gelb), während es auf der anderen Seite genau umgekehrt ist. Erst wenn der Umraum verschwindet und beide Quadrate den selben Hintergrund haben, sehen die Grauwerte wieder identisch aus.

Übrigens: man kann den "Nachbild"-Effekt des Auges auch gut testen, indem man ca. 30 Sekunden lang das Kreuz in der Mitte fixiert und dann die Farben schnell ausblendet. Nach einigen Sekunden stellt sich ein Nachbild ein, dass exakt die Kompelmantärfarben zeigt.

Wie funktioniert der Simultankontrast?

Simultankontrast: Nachbild erzeugt grünen Punkt
Simultankontrast: fixiert man das Kreuz in
der Mitte, erscheint ein grüner Punkt

Wenn wir Farben betrachten, reagieren in unseren Augen die Fotorezeptoren, die sich dicht gedrängt auf der Netzhaut (Retina) befinden, auf die unterschiedlichen Wellenlängen des Lichts. Diese Fotorezeptoren sind die sogenannten Zapfen und Stäbchen, wobei die Zapfen für die Farbwahrnehmung verantwortlich sind.

Aber: bevor diese Informationen über den Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet werden, wo sie weiterverarbeitet und interpretiert werden, werden sie innerhalb der Netzhaut durch verschiedene "Schichten" geleitet und dabei gebündelt und verstärkt.

Genau diese Mechanismen innerhalb des Auges sind für den Simultantkontrast (und viele andere optische Phänomene) verantwortlich.

Zu diesen Mechanismen gehören:

Durch diese Mechanismen verarbeitet das Auge Farben anders, als sie tatsächlich sind, was unter anderem zu den visuellen Effekten führt, die wir als Simultankontrast bezeichnen.

Die scheinbar roten Erdebeeren

Auch das folgende Beispiel zeigt das eindrucksvoll. Es stammt von Akiyoshi Kitaoka aus dem Jahr 2015: ein Foto mit Erdbeeren. Sie sehen rot bzw. rötlich aus. Oder? Das Verrückte: in dem Bild gibt es nicht einen einzigen Pixel, der annähernd rot oder rötlich wäre. Im Gegenteil, dass Bild besteht ausschließlich aus blau, Türkis, grün und vor allem Grautönen. Wenn man den Schieberegler verschiebt, dann wird das Bild bis auf ein paar Deteils ausgeblendet und man erkennt die "tatsächlichen" Farben besser.

Simultankontrast Bild 8 Simultankontrast rote Erdbeeren von Akiyoshi Kitaoka

Hinweis: natürlich spielen hier noch weitere Effekte mit hinein. Man weiß natürlich, dass Erdbeeren rot aussehen. Die Erinnerung spielt hier sicherlich auch eine (geringe) Rolle. Zudem zeigt das Bild anschaulich, dass Farben immer im Gesamtzusammenhang interpretiert werden. Das Auge versucht, die offensichtliche blau-türkis-Färbung des Bildes herauszurechnen und so die Farben zu deuten. Das ist so ähnlich wie bei dem berühmten Kleid, dass entweder weiß-gold oder blau-schwarz aussieht.

Funktion der Netzhaut im Auge

Netzhaut (Retina) im menschlichen Auge
Netzhaut (Retina) im menschlichen Auge

Warum nun sehen wie die Dinge so falsch? Zum Verständnis eine Kurzform des Sehens: Die von den Dingen reflektierte Lichtinformationen werden von den Sinneszellen im Auge (Fotorezeptoren) in elektrische Impulse umgewandelt, die von den Nervenzellen des Gehirns verarbeitet werden können. In den weiteren Schichten der Retina werden diese Einzelinformationen verstärkt, gebündelt, mit anderen verglichen und in sog. rezeptive Felder gruppiert. Diese vorverarbeiteten Informationen werden dann über die Ganglienenzellen, deren Axone in den Sehnerv münden, ins Gehirn weitergeleitet.

Die einzelnen Zellschichten der Netzhaut haben jeweils spezifische Funktionen.

Funktion der Netzhaut (Retina), Schichten
Funktion der Netzhaut (Retina), Schichten
Optische Täuschung: Die Felder A und B haben exakt den gleichen Grauwert
Optische Täuschung: Die Felder A und B haben
exakt den gleichen Grauwert

Die Ganglienzellen sammeln diese vorverarbeiteten Informationen und leiten sie über ihre sehr langen Nervenbahnen (Axone) in den Sehnerv bzw. ins Gehirn weiter. Ein menschliches Auge hat rund 1 Millionen Ganglienzellen.

Die sehr komplexen Verarbeitungen von visuellen Informationen in der Netzhaut des Auges funktionieren im Alltag sehr effektiv, aber in bestimmten Situationen schießen sie gleichsam über das Ziel hinaus. Dann führen sie zu verblüffenden optischen Täuschungen.

Siehe auch / Weiterlesen

Realistisch Zeichnen Lernen: Buch von Martin Mißfeldt
Realistisch Zeichnen Lernen

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