Der Qualitätskontrast, auch als "rein-unrein" bezeichnet, bezieht sich auf den Unterschied zwischen reinen, intensiven Farben und gedämpften, getrübten Farben. In der Abbildung kann man den Qualitätskontrast gut nachvollziehen: die leuchtend reinen Farben heben sich deutlich von dem blassen, ausgegrauten Rest des Bildes ab. Dabei spielt es keine große Rolle, ob der Hintergrund nur blass-grau ist (siehe Abbildung darunter) oder in sich weiter differenziert ist. So oder so heben sich die leuchtenden Farben ab.
Johannes Itten war ein bedeutender Schweizer Maler, Kunstpädagoge und einer der wichtigsten Vertreter des Bauhauses (wichtige Kunststil am Anfang des 20. Jahrhunderts). Er entwickelte eine Theorie der Farbkontraste, die in der Kunst weit verbreitet ist und als "Ittens Farbkreis" bekannt ist. In dieser Theorie definierte Itten sieben verschiedene Farbkontraste, einer davon ist der "Qualitätskontrast".
Was sind reine und unreine Farben?
Der Unterschied zwischen reinen und unreinen Farben ist visuell sehr einfach zu verstehen.
- Rein-bunte Farben sind Farben in ihrer reinsten und lebendigsten Form, vor allem die ungemischten Primär- und Sekundärfarben des Farbkreises (also Rot, Gelb, Blau und Orange, Grün und Violett). Sie werden auch als "lebendige Farben" oder "reine Buntfarben" bezeichnet. Sie werden direkt aus dem Farbspektrum abgeleitet und haben eine hohe Farbsättigung. Reine Farben haben eine starke und lebhafte Ausstrahlung und ziehen die visuelle Aufmerksamkeit auf sich. Im Qualitätskontrast wirkt es zudem meist so, als wäre reine Farben vorne, im Vordergrund. Siehe dazu auch die Themen: Farbperspektive und Luftperspektive.
- Unreine Farben, auch als "gedämpfte Farben" oder "getrübte Farben" bezeichnet, sind solche, die mit Weiß, Schwarz, Grau oder einer anderen Farbe gemischt wurden und dadurch abgeschwächt oder getrübt wurden. Durch die Mischung verlieren sie an Intensität und Sättigung und wirken daher weniger lebendig als reine Farben. Unreine Farben haben eine gedämpfte und zurückhaltendere Ausstrahlung und können subtile oder sanfte visuelle Effekte erzeugen. Sie wirken still, bescheiden und zurückhaltend und verorten sich visuell eher im Hintergrund.
In der Farbgestaltung können reine und unreine Farben gezielt eingesetzt werden, um bestimmte visuelle Wirkungen zu erzielen. Reine Farben können als Akzentfarben oder Schwerpunkte verwendet werden, um Aufmerksamkeit zu erregen und eine lebhafte Atmosphäre zu schaffen. Unreine Farben hingegen können für Hintergründe oder zur Schaffung einer harmonischen und ausgewogenen Farbpalette verwendet werden.
Beispiele für Qualitätskontrast
In der Praxis kann der Qualitätskontrast verwendet werden, um bestimmte Elemente in einem Kunstwerk zu betonen oder um eine bestimmte Stimmung oder Atmosphäre zu schaffen. Zum Beispiel kann die Verwendung von rein-bunten Farben für einen Fokus oder einen Schwerpunkt in einem Bild verwendet werden, während unrein-bunte Farben für Hintergründe oder zur Schaffung einer subtilen und harmonischen Farbgestaltung eingesetzt werden können. Die Kunstgeschichte ist voller geegneter Beispiele - übrigens zeige ich diese Bilder auch gerne im Rahmen meines Kunstunterrichts in der Schule.
Ein absoluter Meister des Qualitätskontrastes war der französisch-italienische Maler Nicolas Poussin. Sein Bild "Die heilige Familie auf der Treppe" aus dem Jahr 1648 veranschaulicht das. Der Hintergrund - ein Anschnitt aus einer Architektur mit einer Treppe - ist ganz in Braun, Ocker und Dunkelgrau gehalten. Hinter dieser Architektur befindet sich ein leuchtend blauer Himmel mit Wolken - optisch ein lebendiger Akzent, der die Szene aufhellt und dadurch keinesfalls düster erscheinen lässt. Im Vordergund sind mehrere Figuren zu erkennen. Die farbigen Gewänder der Personen heben sich sehr stark von der Architektur ab: das ist Qualitätskontrast in Perfektion.
Ein weiteres Beispiel für den Qualitätskontrast findet sich in Werken des expressionistischen Malers Wassily Kandinsky. In seinem Gemälde "Komposition No. 8" von 1923 zeigt Kandinsky eine Mischung aus reinen und unreinen Farben. Die lebendigen, reinen Farben wie Rot, Blau und Gelb stehen im Kontrast zu den gedämpften, getrübten Farben wie verschiedenen Grau- und Ockertönen. Durch diese Kombination erzeugt Kandinsky eine lebendige, spannungsreiche, fast fröhliche Atmosphäre im Gemälde.
Das dritte Beispiel ist ebenfalls eine Ikone der Kunstgeschichte: das berühmte Bild "Impression: aufgehende Sonne" aus dem Jahr 1872. Die dominierenden Farben sind verschiedene Schattierungen von Grau, Blau und Violett, die harmonisch miteinander verschmelzen. Es gibt zwei klare optische Akzente im Bild: zum einen das Boot im Vordergrund, dass durch einen Hell-Dunkel-Kontrast hervorgehoben wird. Und zum zweiten die rot leuchtende Sonne, die aus der grauen Fläche des Himmels als Qualitätskontrast hervorsticht.
Monet hat die Szene in lockeren Pinselstrichen festgehalten und durch die Verwendung von lebendigen Farben und Lichteffekten eine lebendige und flüchtige Stimmung erzeugt. Monet war damit ein Wegbereiter des Impressionismus.
Der Einsatz von Qualitätskontrasten in der Kunstgeschichte ist vielfältig und findet sich in Werken vieler Künstler unterschiedlicher Stilrichtungen und Epochen. Diese Kontraste sind ein wichtiges Gestaltungselement, um gezielt visuelle Wirkungen zu erzeugen, die die Bedeutung und Ausdruckskraft der Bilder verstärken.
Siehe auch / Weiterlesen
- Was ist der Quantitätskontrast?
- Farbperspektive einfach erklärt
- Luftperspektive
- Weitere Kontraste (Übersicht)
- Kunst- und Maltechniken - Online Tutorial (kostenlos)